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Karte & Kompass: Maßstab, Marschzahl, Peilung – kompletter Praxisleitfaden

Analoge Navigation funktioniert unabhängig von Akku, Mobilfunk und Satellitenempfang. Dieser Leitfaden führt dich systematisch durch die Grundlagen: Karten sicher lesen (Maßstab, Höhenlinien, Symbole), Kompass korrekt handhaben, Peilungen sauber durchführen, Distanzen mit der eigenen Schrittzahl plausibilisieren, Koordinaten zuverlässig angeben und die unvermeidlichen Winkelunterschiede auf Karten verstehen. Fachwörter werden so erklärt, dass du sie sofort anwenden kannst – mit durchgerechneten Beispielen, Fehlerdiagnosen und Übungsplänen. In Abschnitt 6 findest du einen integrierten Rechner, der die Missweisung (magnetische Deklination) für deinen Standort ermittelt.

Plattenkompass liegt auf einer topografischen Karte; Hilfslinien der Kompasskapsel sind parallel zum Kartengitter ausgerichtet
Plattenkompass mit Grundplatte und Drehkapsel: Marschpfeil zeigt vorwärts; Hilfslinien der Kapsel liegen parallel zu den Gitterlinien der Karte.

1) Karten verstehen: Maßstab, Höhenlinien, Symbole

1.1 Maßstab sicher anwenden

Der Maßstab gibt an, wie stark die Wirklichkeit „verkleinert“ wurde. 1:25 000 bedeutet: 1 cm auf der Karte entspricht 250 m draußen. Benutze die Maßstabsleiste am Kartenrand (genauer als Kopfrechnen, weil Drucke minimal verzerrt sein können). Für gewundene Wege hilft ein Papierstreifen oder eine Schnur, die du an der Route entlanglegst.

MaßstabVorteileGrenzen
1:25 000Feine Geländeformen, exakte NavigationÜberblick begrenzt
1:50 000Guter Mix aus Überblick und DetailsKleinformen fehlen teils
1:100 000Weite Planung, AnreiseFeinstrukturen kaum erkennbar

1.2 Höhenlinien lesen

Höhenlinien verbinden Punkte gleicher Höhe. Enger Abstand bedeutet steil, weiter Abstand flach. Eine „V-Form“, in der ein Bach die Höhenlinien schneidet, zeigt mit der Spitze bergauf. Zwei nahe Kuppen mit einem „Sattel“ dazwischen sind typische Übergänge. Übung: Suche in deiner Karte eine Kuppe, einen Sattel und eine Mulde und beschreibe, wie du im Gelände dorthin läufst, ohne unnötige Höhenmeter zu sammeln.

1.3 Distanzen und Gehzeiten

Miss die Luftlinie, addiere für kurvige Wege einen Zuschlag (10–20 %), berücksichtige Trittbremsen (Unterholz, Geröll) und Höhenmeter. Als grobe Zeit-Faustformel gilt: für 5 km ca. 1 Stunde plus 600 Höhenmeter zusätzlich ~1 Stunde. Genaue Kontrolle erfolgt über die persönliche Schrittzahl, siehe Abschnitt 4.


2) Kompass: Aufbau, Haltung, Störquellen

2.1 Teile eines Plattenkompasses

  • Grundplatte mit Marschpfeil (zeigt die Laufrichtung) und Anlegekanten (zum Ausrichten an Kartenlinien).
  • Drehkapsel mit Gradskala, Nordmarke und Hilfslinien (parallel zum Kartengitter ausrichten).
  • Magnetische Nadel (rote Seite zeigt zum magnetischen Norden; erst ablesen, wenn sie ruhig ist).
  • Optional: Einstellung für Missweisung, Lupe, Romer-Skalen (für UTM-Millimeter).

2.2 So hältst du den Kompass richtig

Brusthoch, waagerecht, beide Ellenbogen am Körper. Metall und Elektronik stören: Handy, Powerbank, Auto, Zäune, Schienen. Trete zum Messen 5–10 m weg und warte, bis die Nadel ruhig steht.


3) Peilen Schritt für Schritt – Karte → Gelände & Gelände → Karte

3.1 Von der Karte ins Gelände (Richtungspeilung)

  1. Auf der Karte Start und Ziel mit einer geraden Linie verbinden (Anlegekante der Grundplatte als Lineal).
  2. Drehkapsel drehen, bis die Kapsel-Hilfslinien exakt parallel zu den Gitterlinien der Karte liegen. Marschpfeil zeigt dabei auf dein Ziel.
  3. Der Kapselwert ist der Kurs bezogen auf das Kartengitter. Später musst du ihn noch in den magnetischen Kurs umrechnen (Abschnitt 6).
  4. Kompass vor die Brust nehmen, Körper drehen, bis die Nadel unter der Nordmarke liegt. Marschpfeil zeigt jetzt ins Gelände.
  5. Vormarke wählen (markanter Baum, Felskopf), dorthin gehen, Rückblick-Marke prägen, nächste Vormarke setzen. Segmente im Wald kurz halten.

3.2 Vom Gelände in die Karte (Vorwärtspeilung)

  1. Ein markantes Ziel anvisieren. Marschpfeil auf das Ziel richten.
  2. Drehkapsel drehen, bis die Nadel über der Nordmarke liegt. Abgelesener Wert = magnetischer Kurs.
  3. Kurs in einen gitterbezogenen Kurs umrechnen (Abschnitt 6). Kompasskante am eigenen Standort anlegen und die Linie ins Kartenbild eintragen.
  4. Mit zwei Zielen kannst du einen Rückwärtsschnitt machen: Linien schneiden sich – dort liegt dein Standort (Toleranzen beachten).
Person richtet einen Spiegelkompass auf eine markante Felskante; die Kompassnadel ruht auf der Nordmarke
Erst Kurs festlegen, dann laufen. In Wald/Nebel: kurze Segmente, eindeutige Vormarken, konsequente Rückblicke.
Drift vermeiden: Segmentlänge an Sichtweite anpassen (Wald 50–150 m), Vormarken eindeutig, bei Hanglagen gegen die Falllinie kompensieren (Leitplanken-Korridor).

4) Marschzahl (eigene Schrittzahl) – Distanz ohne GPS

4.1 Marschzahl ermitteln

  1. Exakt 100 m markieren (Sportplatz oder vermessene Strecke).
  2. Drei bis fünf Durchgänge im normalen Marschtempo gehen, Einzelschritte oder Doppelschritte konsequent zählen.
  3. Mittelwert bilden. Übung auf Weg, Wiese, leichtem Anstieg, Unterholz wiederholen. So entsteht deine Tabelle pro Untergrund.
UntergrundTypische Marschzahl/100 mBemerkungen
Weg, flach110–140Basiswert
Wiese/Sand120–160Kürzere Schritte, mehr Tritte
Leichter Anstieg130–170Ruhiger Takt, Oberkörper leicht vor
Unterholz150–200Hindernisse, Zickzack

4.2 Zählen in der Praxis

Nutze Zählerketten („Ranger-Beads“) oder Steinchen. Zähle in Blöcken (zum Beispiel 50 oder 100 Schritte), damit Fehler schnell auffallen. Nach jedem Segment Querprüfung: Stimmt die Distanz zur Vormarke mit der Marschzahl überein? Passt das Gelände (Bäche, Wege, Kuppen)?


5) Koordinaten in der Praxis – UTM sicher ablesen

UTM ist ein metrisches Gittersystem. Karten haben 1-km-Rasterlinien. Beim Ablesen immer zuerst nach rechts (Ostwert, Easting), dann nach oben (Nordwert, Northing). Mit einer Romer-Skala kannst du die Lage im 1-km-Quadrat auf 10–20 m interpolieren. Schreibe die Koordinate sauber und vollständig (Zonenangabe nicht vergessen).

Romer-Skala wird an einer Gitterlinie ausgerichtet; die Position im Quadrat wird in Millimetern abgelesen
Romer an der Gitterlinie anlegen, Millimeter bis zum Punkt ablesen, Koordinate notieren, Punkt auf der Karte markieren.

6) Missweisung und Gitterkonvergenz verständlich erklärt (mit Rechner)

6.1 Was bedeutet „Missweisung“?

Die Missweisung (auch magnetische Deklination) ist der Winkel zwischen dem geografischen Norden und dem magnetischen Norden. Geografischer Norden ist die Richtung zum Nordpol entlang eines Meridians (damit arbeiten Karten). Magnetischer Norden ist die Richtung, in die die Kompassnadel zeigt (die magnetischen Feldlinien der Erde). Je nach Ort und Datum ist dieser Winkel positiv (östlich, „Ost = +“) oder negativ (westlich, „West = −“). Kartenränder geben typischerweise einen Wert für ein bestimmtes Jahr an.

6.2 Was ist „Gitterkonvergenz“?

Viele topografische Karten (z. B. UTM) benutzen ein rechtwinkliges Gitter aus senkrechten und waagerechten Linien. Diese Linien sind eine Projektion der Erde in die Ebene. Der Gitter-Nordpfeil der Karte zeigt entlang der senkrechten Rasterlinien. Weil sich die Meridiane auf der Erde zum Pol hin zusammenziehen („konvergieren“), zeigt Gitter-Nord nicht exakt zum geografischen Nordpol, sondern weicht um einen kleinen Winkel ab. Dieser kleine Winkel heißt Gitterkonvergenz. Er ist oft nur wenige Grad groß, kann aber bei präziser Navigation eine Rolle spielen und steht am Kartenrand.

Zusammengefasst: Es gibt drei „Nordarten“ – geografisch (rechtweisend), gitterbezogen (Kartengitter) und magnetisch (Kompass). Missweisung = Winkel zwischen geografisch Nord und magnetisch Nord. Gitterkonvergenz = Winkel zwischen geografisch Nord und Gitter-Nord der Karte.

6.3 Kurse korrekt umrechnen (Formeln)

Wenn du von der Karte ins Gelände läufst, brauchst du einen Kompasskurs. Wenn du im Gelände peilst und auf der Karte arbeiten willst, brauchst du den Kartenkurs. Die Umrechnung nutzt die Vorzeichenregel „Ost = +“ und „West = −“.

  • Karte → Kompass: Kompasskurs = Kartenkurs + Gitterkonvergenz − Missweisung.
  • Kompass → Karte: Kartenkurs = Kompasskurs − Gitterkonvergenz + Missweisung.
Beispiel Map→Compass: Kartenkurs 72°, Gitterkonvergenz +0,8°, Missweisung −2,3° (westlich). Rechnung: 72 + 0,8 − (−2,3) = 75,1°. Der Kompasskurs zum Laufen ist 75,1°.

6.4 Kurse umrechnen – Missweisung und Gitterkonvergenz sicher handhaben

Für präzise Navigation brauchst du die Beziehung zwischen drei Nordarten: rechtweisend (geografisch), gitterbezogen (Kartengitter) und magnetisch (Kompass). Die Karte liefert Missweisung und Gitterkonvergenz am Rand. Damit rechnest du zwischen Kartenkurs (gegenüber Gitter-Nord gemessen) und Kompasskurs (gegenüber Magnet-Nord gemessen) um.

Mini-Rechner: Kartenkurs ↔ Kompasskurs

Ergebnis: –

Formeln: Karte→Kompass = Kartenkurs + Gitterkonvergenz − Missweisung. Kompass→Karte = Kompasskurs − Gitterkonvergenz + Missweisung. Beachte das Vorzeichenprinzip „Ost=+ / West=−“ und lies beide Werte vom Kartenrand ab.


6.5 Mini-Rechner: Missweisung (magnetische Deklination) am Standort

Dieser Rechner bestimmt die magnetische Missweisung (Ost = positiv, West = negativ) für ein Datum und einen Ort. Wähle „Standort verwenden“ oder gib Breite/Länge in Dezimalgrad ein.

Ergebnis: –

Verwendung: Karte → Kompass = Kartenkurs + Gitterkonvergenz − Missweisung. Kompass → Karte = Kompasskurs − Gitterkonvergenz + Missweisung. Vorzeichen: Ost = +, West = −.


7) Playbooks – so setzt du alles zusammen

7.1 Offenes Gelände bei klarer Sicht

  1. Route in Abschnitte (Legs) mit erkennbaren Zwischenzielen einteilen (Sattel, Wegekreuz, Bachknick).
  2. Kartenkurs bestimmen, Gitterlinien sauber an der Kapsel ausrichten, Umrechnung zum Kompasskurs mit Missweisung/Gitterkonvergenz.
  3. Vormarke setzen, Segment gehen, Rückblick-Marke merken, nächste Vormarke wählen. Alle 10–15 Minuten Querprüfung mit Karte und Geländezeichen.

7.2 Wald oder Nebel

  • Segmentlänge stark reduzieren (50–150 m). Eindeutige Vormarken, konsequente Rückblicke.
  • Aiming-Off: Wenn du eine lineare Fanglinie (z. B. Bach) anpeilst, bewusst ein paar Grad versetzt peilen, um sicher zu wissen, zu welcher Seite du der Fanglinie folgen musst.
  • Marschzahl langsam und laut mitzählen; nach jedem Segment Distanz gegenprüfen.

7.3 Rückwärtsschnitt (Standort bestimmen)

  1. Zwei weit auseinander liegende Ziele im Gelände anpeilen, magnetische Kurse ablesen.
  2. Kurze in gitterbezogene Kurse umrechnen, am Kartenstandort als Linien eintragen. Schnittpunkt = Standort (mit Toleranzfläche arbeiten).
  3. Mit drei Zielen wird die Toleranz kleiner, aber die Zeichenarbeit größer – sauber arbeiten.

8) Häufige Fehlerbilder und sichere Korrekturen

FehlerbildUrsacheKorrektur
Kartenkurs/Kompasskurs verwechseltMissweisung/Gitterkonvergenz ignoriertWerte am Kartenrand lesen, Vorzeichen beachten, Formeln anwenden
Kurs driftet im HangFalllinie „zieht“, ungenaue VormarkenLeitplanken-Korridor, Lot-Check, kurze Segmente
Peilung unruhigKompass schief, Nadel nicht beruhigt, StörfelderWaagerecht halten, warten, 5–10 m von Störern wegtreten
Marschzahl uneinheitlichUnterschiedliche Zählweise, kein Terrain-ProfilEinheitlich zählen (Einzel- oder Doppelschritt), Tabelle pro Untergrund
Triangulation ungenauPeilziele zu nah, kleiner SchnittwinkelWeit entfernte Ziele, Schnittwinkel 60–120° anstreben

9) Üben macht zuverlässig – Trainingsplan und Pflege

9.1 Zwei-Wochen-Plan für Einsteiger

  1. Tage 1–2: Maßstab und Distanzen – mehrere Routen auf der 1:25 000 messen und draußen gegenprüfen.
  2. Tage 3–4: Höhenlinien – Kuppen, Sättel, Mulden im Gelände aufsuchen, Kartenbild vergleichen.
  3. Tage 5–6: Peilung Karte→Gelände und Gelände→Karte; je drei Durchgänge mit sauberen Vormarken.
  4. Tage 7–8: Marschzahl – 100-m-Drills pro Untergrund; Werte notieren.
  5. Tage 9–10: Umrechnen mit Missweisung/Gitterkonvergenz; zwei Legs komplett mit Zahlennachweis.
  6. Tage 11–12: Nebel/Wald – kurze Segmente, Aiming-Off und Fanglinien üben.
  7. Tage 13–14: Mini-Orientierungslauf mit vier Legs; am Ende Abweichungen analysieren.

9.2 Geräte- und Kartenhygiene

  • Karte wasserdicht verpacken, trocken lagern, Knickfalten entlang robuster Kanten.
  • Kompass nicht in der Sommerhitze im Auto lassen; Kapselbläschen vermeiden.
  • Nadelbewegung prüfen: Sie muss frei schwingen und stabil auf Nord zeigen.
  • Weiche Bleistifte für Kartenrand, feine Folienstifte für Laminat; sauber beschriften und später wieder entfernen.

Passender Kurs

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Survival-Tipp

Nr. 193: Erste Hilfe bei Erfrierungen

Weißt du schon? Erfrierungen entstehen durch lange Kälteeinwirkung. Schon leichte Erfrierungen können dauerhafte Schäden verursachen.

Praxis: Erste Anzeichen: blasse Haut, Kribbeln, später Taubheit. Sofort Schutz vor Kälte: Betroffene Körperteile vorsichtig wärmen – am besten mit Hautkontakt oder lauwarmem Wasser. Niemals reiben! Bei schweren Erfrierungen entstehen Blasen, Haut wird schwarz – sofortige Evakuierung nötig. Begleitend warme Getränke geben, Kreislauf stabilisieren. Kleidung lockern, um Durchblutung zu fördern.

Typische Fehler: Betroffene am Feuer schnell aufheizen oder in heißes Wasser tauchen. Das verursacht Gewebeschäden. Auch Reiben zerstört Zellen.

Praxis-Tipp: Schütze exponierte Stellen mit Fettcreme oder Tuch, bevor es kritisch wird.