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Wasser aufbereiten im Gelände: Sicher trinken mit Kochen, Pasteurisieren, Filtern, Chemie, UV

Dieser Beitrag führt Sie Schritt für Schritt durch die zuverlässige Trinkwasseraufbereitung: von der Quellbewertung über praxistaugliche Methoden bis zu improvisierten Lösungen ohne Kochgeschirr. Sie finden exakte Richtwerte, saubere Anleitungen, zwei kleine Rechner und mobilfähige Übersichten. Ziel ist eine robuste Routine, die auch unter Stress funktioniert.

Merksatz: Beste Quelle wählen → trübes Wasser vorab klären → geeignete Methode wählen (Kochen/Pasteurisieren, Filter, Chemie, UV) → sauber abfüllen → Wiederverkeimung vermeiden.

1) Quellen zuverlässig prüfen

1.1 Temperatur am Quellaustritt

Natürliche Quellen in Mitteleuropa sind oft ganzjährig kühl. Im Sommer liegt die Temperatur am Austritt typischerweise im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich, deutlich kälter als die Luft. Im Winter ist sie knapp über 0 °C. Wenn das „Quellwasser“ an einem warmen Sommertag auffallend warm ist, handelt es sich häufig um oberflächen­nahes Zuflusswasser – das behandeln Sie strenger. Ein kleines Thermometer im Set hilft bei der Einordnung.

1.2 Indikatororganismen unter Steinen

Heben Sie vorsichtig Steine in ruhigen Bachabschnitten an. Finden Sie Larven von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen (EPT-Gruppe), spricht das für kühles, sauerstoffreiches Wasser. Das ersetzt keine Desinfektion, ist aber ein positiver Hinweis. Dominieren Schaum, dichter Biofilm, faulige Gerüche oder rote Zuckmückenlarven, sind das Warnsignale.

1.3 Abstand zu Einträgen & einfache Trübungsprüfung

Entnehmen Sie möglichst oberhalb von Weiden, Wegen, Hütten oder Campingplätzen. Meiden Sie Außenkurven mit viel Sediment. Prüfen Sie die Trübung pragmatisch: Füllen Sie eine Flasche, halten Sie sie vor Feindruck – können Sie die Schrift gut lesen, ist die Trübung niedrig. Trübes Wasser zwingend klären (siehe Abschnitt 3), sonst wirken Chemie/UV deutlich schlechter und Filter setzen schneller zu.


2) Höhe, Siedepunkt und sichere Zeiten

Der Kochpunkt sinkt mit der Höhe. In Tallagen und im Hügelland erhitzen Sie bis zum deutlich sprudelnden Kochen und halten mindestens eine Minute. Ab etwa 2 000 m sind mindestens drei Minuten sinnvoll, weil das Wasser unter 100 °C siedet. Alternativ nutzen Sie die Pasteurisierung (Abschnitt 4): niedrigere Temperatur mit ausreichender Haltezeit – spart Brennstoff und schont improvisierte Gefäße.

Richtwerte – reale Werte schwanken mit Luftdruck und Wetter.
Höhe (m)≈ Siedepunkt (°C)
0100,0
50098,3
1 00096,7
1 50095,0
2 00093,4
2 50091,7
3 00090,0
3 50088,4
4 00086,7
Begriffsklärung: „Leises Köcheln“ bedeutet kleine, kontinuierlich aufsteigende Bläschen ohne heftiges Sprudeln. Je nach Höhe entspricht das etwa 85–95 °C. Mit einem WAPI (Water Pasteurization Indicator) können Sie diesen Bereich sicher treffen, ohne bis zum Vollsieden zu gehen.

3) Vorbehandlung: klären, absetzen, vorfiltern

Trübungen schwächen Chemie und UV und setzen Filter zu. Sammeln Sie das Wasser, lassen Sie es 5–15 Minuten stehen und gießen Sie die obere Klarwasserschicht ab. Filtern Sie dann durch Tuch oder Kaffeefilter. Ein provisorischer „Säulenfilter“ (Sand – Holzkohle – Sand) eignet sich nur zum Klären, nicht zur Desinfektion. Erst nach dem Klären kommt die Behandlung.


4) Kochen & Pasteurisieren – mit und ohne Topf

4.1 Kochen mit Topf

Nach dem Vorfiltern erhitzen Sie bis zum deutlich sprudelnden Kochen. In Tallagen halten Sie das mindestens eine Minute, in Höhenlagen mindestens drei Minuten. Füllen Sie anschließend in saubere, enghalsige Flaschen ab. Den „gekochten“ Geschmack mindern Sie durch eine Aktivkohle-Stufe oder kräftiges Durchschütteln (Sauerstoffeintrag).

4.2 WAPI (Water Pasteurization Indicator) – sicher pasteurisieren ohne Vollsieden

Ein WAPI ist ein kleines, durchsichtiges Röhrchen mit einem Wachs-Pellet, das bei etwa 65 °C schmilzt. Sobald das Wachs schmilzt und im Röhrchen nach unten rutscht, wissen Sie: Die Pasteurisierungs-Temperatur wurde erreicht. Das erlaubt die sichere Keimreduktion unterhalb des Vollsiedens und spart Brennstoff.

So setzen Sie den WAPI richtig ein: Hängen Sie ihn an einer Schnur senkrecht ins Wasser, mit dem Wachs-Ende zunächst oben. Erhitzen Sie das Wasser (Topf, Steinkochen, Glut), ohne den WAPI auf den Topfboden zu legen. Sobald das Wachs vollständig geschmolzen ist und unten steht, hat das Wasser mindestens ca. 65 °C erreicht. Halten Sie diese Temperatur in größeren oder ungleichmäßig erhitzten Gefäßen noch einige Minuten (5–10 min), damit auch kühlere Zonen sicher sind. Zum Zurücksetzen drehen Sie den WAPI um (Wachs wieder nach oben) und lassen ihn abkühlen.

Pasteurisieren ist besonders sinnvoll, wenn Brennstoff knapp ist oder wenn improvisierte Gefäße genutzt werden (z. B. Steinkochen oder Rinden-/Papierschalen über Glut).

4.3 Wasser erhitzen ohne Topf (Steinkochen)

Sie improvisieren ein Gefäß (Mulde mit feuchtem Lehm abgedichtet, dicke Borken-/Holzschale oder stabiler Stoff-/Lederbeutel) und erhitzen das Wasser über glühend heiße Steine. Verwenden Sie ausschließlich dichte, trockene Steine (z. B. Granit, Basalt). Nasse Flusskiesel oder poröse Sand-/Kalksteine können platzen. Heizen Sie die Steine am Feuerrand 20–30 Minuten auf, legen Sie sie nacheinander ins Wasser (nicht werfen), warten Sie auf kontinuierlichen Dampf und halten Sie den Zustand für einige Minuten. Mit WAPI erkennen Sie die ausreichende Temperatur eindeutig. Anschließend sauber abfüllen; Steine nicht schockkühlen.

4.4 Sickerbrunnen (Gypsy-Well) – klareres Rohwasser am Ufer gewinnen

Ein Sickerbrunnen dient der Klärung von trübem Oberflächenwasser, ersetzt aber nie die eigentliche Desinfektion (Kochen/Pasteurisieren, Filter + Chemie oder UV). Er hilft an Flüssen mit viel Schwebstoff, nach Starkregen oder dort, wo direkte Entnahme ständig Sediment aufwirbelt.

Vorgehen: Wählen Sie am Ufer einen leicht erhöhten, sandig-kiesigen Abschnitt ohne Viehtritt. Stechen Sie 30–50 cm vom Wasserrand entfernt eine Grube von etwa 30–40 cm Tiefe aus und verdichten Sie Boden und Wände mit der Hand. Lassen Sie die Grube in Ruhe vollsickern (einige Minuten). Die erste, oft trübe Füllung schütten Sie weg; danach klaren die Schwebstoffe sichtbar aus. Schöpfen Sie das Klarwasser vorsichtig von der Oberfläche ab, ohne den Bodensatz aufzuwirbeln, und führen Sie anschließend die eigentliche Aufbereitung durch.


5) Filtern: was geht – und was nicht

5.1 Mikrofilter (Hohlfaser/Keramik)

Gängige Outdoor-Filter arbeiten mit 0,1–0,2 µm Poren (Hohlfaser) oder feinporöser Keramik. Sie halten Bakterien und Protozoen (Giardia, Kryptosporidien) zuverlässig zurück. Viren sind deutlich kleiner und passieren diese Filter. Gegen Viren benötigen Sie eine ergänzende Desinfektion (Chemie/UV) oder spezielle Systeme, die im Trekkingalltag selten sind.

5.2 Aktivkohle

Aktivkohle verbessert Geschmack und reduziert manche organische Spuren. Sie ist kein Allheilmittel gegen Chemikalien und ersetzt keine Desinfektion. In Kombination mit Mikrofiltern kann Aktivkohle den Geschmack nach Kochen oder Chlor mindern.

5.3 Praxis & Pflege

Halten Sie Rohwasser möglichst klar (Vorfiltern), rückspülen Sie Hohlfaserfilter regelmäßig und lassen Sie sie nicht einfrieren – gefrorene Hohlfasern können unsichtbar reißen. Keramik wird langsam und gleichmäßig betrieben und behutsam gereinigt. Auch gefiltertes Wasser kann durch unsaubere Flaschen/Deckel erneut verkeimen.


6) Chemische Desinfektion: Chlor, Jod, Chlordioxid

Chemie wirkt in klarem Wasser zuverlässig, wenn Konzentration und Kontaktzeit stimmen. Chlor und Jod decken Bakterien und viele Viren ab, sind gegen Kryptosporidien schwächer. Chlordioxid wirkt breiter, benötigt je nach Produkt, Temperatur und Trübung längere Zeiten. In sehr kaltem Wasser verlängern Sie grundsätzlich die Kontaktzeit. Jod ist für Schwangere und Personen mit Schilddrüsenproblemen ungeeignet und eher Reserve.

MittelWirkspektrumTypische Kontaktzeit*Hinweise
Chlor (Haushaltsbleiche) Bakterien, viele Viren ~30 Min. bei ~20 °C; kälter → länger Leichter Chlorgeruch nach 30 Min. erwünscht; Geschmack via Aktivkohle mindern
Jod Bakterien, viele Viren ~30 Min.; kälter → länger Nicht in Schwangerschaft/bei Schilddrüse; kurzzeitig einsetzen
Chlordioxid (ClO₂) Bakterien, Viren, Protozoen ~30 Min. (klar/warm) bis mehrere Stunden (kalt/Protozoen) Produktangaben strikt einhalten
* Produktangaben gehen vor; trübes/kühles Wasser → längere Zeiten.

Chlorierungs-Rechner (vereinfachte Feld-Näherung)

Zielwert frei verfügbares Chlor (Richtwert): 2 mg/l in klarem Wasser. Tragen Sie den Prozentgehalt Ihrer Bleiche, die Wassermenge und den Zielwert ein. Der Rechner versteht Komma und Punkt.

Vorgehen: Nach dem Einmischen warten Sie 30 Minuten. Riecht das Wasser dann nicht leicht nach Chlor, dosieren Sie vorsichtig nach. Stark trübes oder sehr kaltes Wasser behandeln Sie bevorzugt durch Kochen/Pasteurisieren oder durch Kombinationen (Filter + ClO₂).


7) UV-Desinfektion: schnell und geschmacksneutral

UV-Geräte inaktivieren Bakterien, Viren und Protozoen zuverlässig – in klarem Wasser. Bewegen Sie das Wasser während der Anwendung langsam, damit alle Bereiche bestrahlt werden. Achten Sie auf geladene Akkus und halten Sie das Gerät im Winter warm. Vorteil: keine Chemie, kurze Zeiten, neutraler Geschmack. Bei Zweifel können Sie eine zweite UV-Dosis geben.


8) SODIS (Solar-Desinfektion): korrekt – und mit Grenzen in Mitteleuropa

SODIS nutzt UV-A und Wärme der Sonne in transparenten PET-Flaschen. In Mitteleuropa ist SODIS nur in engen Fenstern zuverlässig (Hochsommer, wolkenlos, hoher Sonnenstand, lange Besonnung). Im restlichen Jahr betrachten Sie SODIS als Notlösung.

8.1 Richtiges Vorgehen

Das Wasser muss klar sein (Faustregel „Zeitungstest“). Verwenden Sie 0,5–2 l PET-Flaschen; kleinere erwärmen schneller. Füllen Sie zuerst zu etwa drei Vierteln, schütteln Sie 20 Sekunden kräftig (Sauerstoffeintrag), füllen Sie dann vollständig auf, verschließen Sie die Flasche und legen Sie sie horizontal auf eine stark sonnenexponierte, gern reflektierende Fläche. Bei voller Sonne planen Sie etwa sechs Stunden; bei stärkerer Bewölkung zwei volle Tage mit guter Tageslichtdauer. Erreichen die Flaschen etwa 50 °C (fühlbar heiß), verkürzt sich die nötige Zeit deutlich. Bei Kälte/Dauergrau brechen Sie SODIS ab und wählen eine andere Methode.

SODIS adressiert nur biologische Risiken und ist bei chemischer Belastung ungeeignet. Winter, tiefe Sonnenstände und Dauerbewölkung machen SODIS in Deutschland praktisch unzuverlässig.

9) Kombinationen, die draußen robust funktionieren

9.1 Allround auf Tour

Sie klären trübes Wasser vor, nutzen einen Mikrofilter (0,1–0,2 µm) und ergänzen mit Chlordioxid gemäß Herstellerangabe. So decken Sie Bakterien/Protozoen mechanisch ab und haben eine Reserve gegen Viren. Geschmack lässt sich mit Aktivkohle verbessern.

9.2 Winter/Kälte

In sehr kaltem Wasser wirken chemische Desinfektionsmittel langsamer. Sie bevorzugen Kochen oder Pasteurisieren (WAPI). Filtration bleibt sinnvoll, um Schwebstoffe vorab zu entfernen.

9.3 Improvisation ohne Topf

Sie kochen mit heißen Steinen, bis leises Köcheln sichtbar ist oder der WAPI die nötige Temperatur bestätigt. Danach füllen Sie in saubere Flaschen ab. Vorheriges Klären spart Brennstoff und Steine.

9.4 Nach Starkregen/Siedlungsnähe

Erhöhtes Virenrisiko: Filter plus Chlordioxid oder UV. Bei Trübung zuerst klären, sonst verpufft die Wirkung.


10) Lagerung & Wiederverkeimung

Nutzen Sie saubere, enghalsige Flaschen und berühren Sie die Trinköffnung weder mit dem Bachwasser noch mit der Hand. Halten Sie Deckel und Gewinde sauber. Für längere Lagerung kann ein kleiner Chlorrest sinnvoll sein; gegen Geschmack hilft eine Aktivkohle-Stufe. Planen Sie grob 3–4 l pro Person und Tag (Trinken, Kochen, minimale Hygiene).


11) Typische Fehlerbilder – und die Lösung

„Klar ist sicher“ – stimmt nicht: Keime sind unsichtbar. Chemie ohne ausreichende Kontaktzeit – besonders bei Kälte – funktioniert schlecht. Mikrofilter einfrieren – die Hohlfasern können reißen, ohne dass Sie es merken. Not-Säulenfilter als „Desinfektion“ nutzen – sie klären nur. Beim Steinkochen ungeeignete oder nasse Steine verwenden – Splittergefahr. Bei SODIS die Grenzen in Mitteleuropa ignorieren – unzuverlässig. Gegenmaßnahmen stehen oben in den jeweiligen Abschnitten.


12) Kompakte Übersicht (Methoden & Eignung)

MethodeDeckt abVoraussetzungenVorteileGrenzen
KochenBakterien, Viren, ProtozoenTopf/Steine, BrennstoffSehr verlässlichGeschmack; keine Chemikalienentfernung
Pasteurisierenwie Kochen (mit Haltezeit)WAPI oder ZeitpufferBrennstoffsparendTemperaturkontrolle nötig
Filter 0,1–0,2 µmBakterien, ProtozoenKlares WasserSchnell, planbarViren passieren
AktivkohleGeschmack/organische SpurenWechsel/RegenerationVerbessert Akzeptanzkeine Desinfektion
Chemie (Chlor/Jod)Bakterien, viele VirenKlares Wasser, ZeitLeicht, günstigschwach gegen Krypto; Jod-Limits
ChlordioxidBakterien, Viren, ProtozoenKlares Wasser; ZeitBreites Spektrumlange Zeiten bei Kälte/Krypto
UVBakterien, Viren, ProtozoenKlares Wasser, AkkuSchnell; kein GeschmackTrübung mindert Wirkung
SODISBakterien, Viren (klar)Sommer, Sonne, PETKein Brennstofflangsam; im Winter untauglich

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Praxis: Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Schwindel. Betroffene nicht zum Erbrechen zwingen! Sofort Rettung suchen. Aktivkohle kann Giftstoffe binden – sie gehört ins Notfallset. Viel Flüssigkeit (Wasser) geben, wenn Betroffene bei Bewusstsein sind. Ruhe bewahren, Position mit leicht erhöhtem Oberkörper. Vergiftungsquelle sichern und für Retter bereithalten (z. B. Pflanzenreste). Niemals Milch oder Alkohol geben.

Typische Fehler: Unklare Pflanzen oder Pilze essen, Reste im Lager nicht trennen, Hausmittel statt Erste Hilfe nutzen.

Praxis-Tipp: Aktivkohle ist klein, leicht und universell – pack sie in jedes Erste-Hilfe-Set.