Notnahrung an Gewässern – Rhizome, Pollen, Sprosse
Ufer- und Röhrichtzonen liefern in der Notküche die Stärke, die Wiesenkräuter oft nicht bieten. Rohrkolben und Schilf bergen Rhizom-Stärken, Pollen ergänzt als Mehlzusatz, Quecke bringt süßlich-malzige Röststoffe über ihre Rhizome, Klette bietet tiefreichende Speicherwurzeln. Wichtig sind sichere Bestimmung (Iris/Calla sind giftige Verwechsler), sauberes Wasser ohne Einleitungen sowie eine klare Prozesskette vom Ausgraben bis zur trockenen Mehlfraktion.
Rohrkolben – Typha latifolia/angustifolia

Rohrkolben ist ein Stärkereservoir im Sumpf. Kennzeichen: breite, bandförmige Blätter und der markante braune Kolben; die männliche Blüte sitzt getrennt oberhalb. Die Rhizome enthalten weiße, faserige Markstränge mit Stärke, im Winter und frühen Frühjahr am dichtesten. Später im Frühling lässt sich gelbes Pollenmehl vom Kolben ausschütteln. Junge Sprosse sind mild und gurkig.
Schritt | Was tun | Ergebnis | Hinweise |
---|---|---|---|
1. Ausheben | Rhizome im Flachufer freilegen, Stücke lösen | Ganze Rhizomstücke | Nur saubere Standorte, Handschuhe |
2. Grobreinigung | Im Wasser schwenken, Erdanhaftungen abreiben | Schlamm weg | Kein Ab- oder Brackwasser nutzen |
3. Aufschluss | Rhizome spalten, Mark herauskratzen/zerquetschen | Weiße Markfasern | Holzige Außenhaut entfernen |
4. Auswaschen | Mark in Wasser kneten, stehen lassen | Stärkesediment | Fasern abschöpfen, Wasser wechseln |
5. Trocknen | Sediment dünn ausstreichen, luft-/wärmetrocknen | Trockene Stärke | Erst danach kurz rösten |
6. Nutzung | Als Mehlzusatz/Bindung rösten/mahlen | Mild, sättigend | Mit Nuss/Samen kombinieren |
Pollen | Reife Kolben schütteln/sieben | Gelbes Pollenmehl | Trocken und sauber sammeln |
Ration: Typha–Fladen (Pollen/Stärke)
- Rohrkolben-Stärke 60 g ≈ 210–230 kcal
- Pollen 10 g ≈ 35–45 kcal
- Wasser 90–120 ml, Prise Salz; optional 10 g Fett ≈ 90 kcal
Vorgehen: Stärke, Pollen und Salz mischen, mit Wasser zu Teig rühren, flach drücken, trocken ausbacken und kurz nachrösten. Gesamt etwa 245–365 kcal.
Typha-Rhizome → trockene Stärke (Schätzung)
Ergebnis: –
Schilf – Phragmites australis

Gemeines Schilf bildet dichte Bestände mit hohen Halmen und weitreichenden Rhizomen. Nach Zerkleinern und Auswaschen entsteht eine feine Stärkefraktion, junge Sprosse im Frühjahr sind mild und knackig. Reife Samen sind klein und aufwendig zu gewinnen und spielen in der Notküche nur eine Nebenrolle.
Teil | Verfahren | Erfolg | Hinweis |
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Rhizome | Waschen, zerfasern, auswaschen, trocknen | Stärkesediment | Ausbeute geringer als bei Rohrkolben |
Sprosse | Schälen, kurz garen | Mild, süßlich | Nur sehr junge, weiße Basen |
Halme | Technik/Spieße | Stabil | Kein Nährwert |
Ration: Schilfsprosse mit Nusskruste
- Junge Sprosse 200 g ≈ 40–60 kcal
- Hasel- oder Walnuss 30 g ≈ 190–210 kcal
- Salz, Spur Säure
Vorgehen: Sprosse kurz dämpfen, Nüsse trocken rösten und darübergeben. Gesamt etwa 230–270 kcal.
Quecke – Elymus repens (Kriechendes Weizengras)

Die langen, gelblichen Rhizome der Quecke sind leicht verfügbar. Nach gründlichem Waschen in kurze Stücke schneiden und schonend rösten, bis sie strohig-knusprig und leicht bräunlich sind. Das Ergebnis schmeckt süßlich-malzig und eignet sich als Getränkezusatz oder grob zermahlen als kleiner Mehlstrecker. Als alleinige Stärkequelle nur eingeschränkt geeignet.
Queckenrhizome – Röstertrag & Kalorien
Ergebnis: –
Klette – Arctium lappa (Wurzel im 1. Jahr)

Die Große Klette bildet im ersten Jahr nur eine Blattrosette ohne Stängel und Fruchtstände; dann ist die Pfahlwurzel saftig und gut nutzbar. Schälen, in Stifte schneiden, kochen oder braten. Im zweiten Jahr schießt die Pflanze, bildet klettende Körbchen, und die Wurzel verholzt.
Merkmal | 1. Jahr (essbar) | 2. Jahr (verholzt) | Hinweis |
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Wuchs | Rosette, bodennah | Hoher Stängel, Köpfchen | Nur 1. Jahr ernten |
Wurzel | Saftig, hell | Holzig | Gründlich schälen |
Zubereitung | Kochen oder Braten | – | Mit Fett und Säure abrunden |
Ration: Klettenwurzel–Eintopf einfach
- Gesäuberte Wurzelstifte 250 g ≈ 180–200 kcal
- Grünbeilage (Brennnessel/Vogelmiere) 150 g ≈ 30–50 kcal
- Optional 10 g Fett ≈ 90 kcal
Vorgehen: Wurzelwürfel in wenig Wasser garen, Grün kurz zugeben, abschmecken. Gesamt etwa 210–340 kcal.
Wasserlinsen – Lemna spp.

Wasserlinsen können – gut gewaschen und kurz blanchiert – als proteinreiche Beikost dienen. Sie sind keine Stärkequelle und nur geeignet, wenn das Wasser klar, geruchlos und fern von Einleitungen ist. Sammeln mit feinem Sieb, mehrfaches Waschen ist Pflicht.
Verwechslungs- & Gefahrenmatrix (Uferpflanzen)
Merkmal | Rohrkolben (Typha) | Schwertlilie (Iris) – giftig | Scheinastrantia/Calla (Calla palustris) – giftig |
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Blüten/Frucht | Brauner Kolben („Zigarre“) | Gelbe Irisblüte | Weiße Scheide, rote Beeren |
Blatt | Bandförmig, flach | Deutlich gefaltet, schwertförmig | Breit, pfeilförmig |
Standort | Flachwasser/Sumpf | Ufer, ähnlich | Sumpfig, torfig |
Essbarkeit | Rhizom, Pollen, Sprosse essbar | Giftig | Giftig |
Übersichten: Saison, Nutzung, Aufbereitung
Art/Teil | J | F | M | A | M | J | J | A | S | O | N | D |
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Rohrkolben Rhizome | ● | ● | ● | ○ | ○ | ○ | ○ | ○ | ● | ● | ● | ● |
Rohrkolben Pollen | ○ | ● | ● | ○ | ||||||||
Schilf Rhizome | ● | ● | ● | ○ | ○ | ○ | ○ | ○ | ● | ● | ● | ● |
Schilf Sprosse | ○ | ● | ● | ○ | ||||||||
Quecke Rhizome | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● | ● |
Klette Wurzel (1. Jahr) | ○ | ○ | ● | ● | ○ | ○ | ● | ● | ○ | |||
Wasserlinsen | ○ | ● | ● | ● | ● | ● | ○ |
Problem | Beispiele | Technik | Praxis |
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Schlamm/Keime | Rhizome von Typha/Schilf | Mehrfaches Auswaschen | Klares Wasser mit Wechseln; kein Brack-/Abwasser |
Fasrigkeit | Typha-Rhizom | Mark/Fasern trennen | Nur Sediment trocknen |
Geringe Ausbeute | Schilf | Längere Standzeit | Auswaschen, ruhen lassen, Sediment abnehmen |
Giftverwechslung | Iris/Calla | Merkmals-Checkliste | Bei Zweifel nicht ernten |
Survival-Praxis: Wasser, Energie, Sicherheit
Wasserqualität: nur klare, geruchsneutrale Standorte ohne Einleitungen oder Algenteppiche.
Energie: Rhizomstärken immer mit Nuss- oder Samenanteil verbinden – Bindung, Aroma und Kalorien.
Sicherheit: Uferzonen sind sensibel; kleinflächig arbeiten, Trittschäden minimieren, Brutzeiten respektieren.
Pollen-zu-Teig: Wie viel Pollen für einen Fladen?
Ergebnis: –
Pollen als Zusatz nutzen (Aroma, Farbe, Protein), nicht als alleinige Basis.
Konservierung & Haltbarkeit
- Stärke trocknen: Sediment dünn ausstreichen, 35–40 °C lufttrocknen, dunkel und luftdicht lagern.
- Rhizome rösten: malziger Duft statt Rauch; danach grob mahlen und trocken lagern.
- Pollen: sofort sehr dünn ausbreiten und trocknen, dann dicht verpacken; feuchteempfindlich.
Ausbeuten schwanken stark mit Standort, Jahreszeit und Pflanzenteil. Hygiene hat Vorrang vor Ertrag.