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Essbare Wildpflanzen als Notnahrung – Wiesen & Saum

Dieser Abschnitt bündelt robuste, weit verbreitete Arten, die in Mitteleuropa fast überall zu finden sind. Für den Einsatz in der Notküche zählt weniger das „Kann man essen?“ als die Umsetzung im Feld: Woran erkenne ich die Art sicher? Welche Teile lohnen sich zu welcher Zeit? Wie bereite ich so auf, dass Brennhaare, Bitterstoffe oder Oxalate kein Problem sind? Und schließlich: Wie kombiniere ich volumenstarke Grünmasse mit Kalorienquellen wie Samen, Nüssen oder stärkereichen Wurzeln, so dass echte Sättigung entsteht? Die folgenden Porträts liefern jeweils einen zusammenhängenden Überblick, dazu kompakte Verarbeitungstabellen, eine praxistaugliche Ration und kleine Rechner.

Recht & Ethik (Deutschland): Handstraußregel (§ 39 BNatSchG) – kleine Mengen für den persönlichen Bedarf, keine geschützten Arten, kein Ausgraben von Wurzeln ohne Erlaubnis. Abstand zu Straßenrändern, Hundezonen und belasteten Ufern. Nur eindeutig bestimmte Arten nutzen.

Brennnessel – Urtica dioica

Große Brennnessel: gegenständige, grob gesägte Blätter; vierkantiger Stängel; dichte Brennhaare
Frühjahr für zartes Blattgemüse, Spätsommer für nahrhafte Samen – ein Ganzjahresbaustein.

Die Große Brennnessel ist ein Paradebeispiel für verlässliche Notnahrung: Sie wächst dort, wo Menschen leben, trägt im Frühjahr zarte Blattspitzen und im Spätsommer schwere Samenrispen. Die Erkennung ist eindeutig: grob gesägte, gegenständige Blätter, ein vierkantiger Stängel und dichter Besatz an Brennhaaren. Die Blätter liefern Volumen, Mineralstoffe und etwas Protein; die Samen – nach vollständigem Trocknen und kurzem Trockenrösten – bringen nussiges Aroma und deutlich mehr Kalorien. Zusammen decken sie das Duo aus Masse und Sättigung, das draußen zählt.

Sicherheit: Brennhaare durch Blanchieren (1–2 min), kräftiges Rollen/Quetschen oder Trocknen entschärfen. Alte, sehr dunkle Blätter sind oft herber und nitratreicher – junge Spitzen bevorzugen. Samen nur trocken und geröstet verwenden.
Vom Schnitt zur Schüssel
SchrittAktionErfolgHinweise
1. ErnteObere 2–4 Blattpaare schneiden; im Spätsommer weibliche Samenrispen streifenZarte Blattmasse; braune, vollreife SamenStandorthygiene prüfen
2. ReinigenKurz spülen; Samen auf Tuch ausbreitenKlares Wasser, keine KrümelBlätter nicht „wässern“
3. EntschärfenBlätter blanchieren/rollenKein BrennenBlanchierwasser verwerfen
4. TrocknenSamen 1–2 Tage luftig nachtrocknenFreifließendDünn ausbreiten
5. RöstenSamen trocken rühren bis nussig duftendLeicht knusprigNicht bräunen
6. NutzungBlätter als Gemüse; Samen als Topping/MehlstreckungRundes AromaMit Fett/Stärke koppeln

Ration: Brennnessel–Samen–Pfanne

Ziel: Blattvolumen + Samenenergie in einem Gang.

  • Junge Nesseln (blanchiert) 250 g ≈ 80–100 kcal
  • Geröstete Samen 25 g ≈ 100–130 kcal
  • Optional 10 g Fett ≈ 90 kcal; Salz, Spritzer Essig

Vorgehen: Blätter ausdrücken, kurz in Fett schwenken, würzen → Samen am Ende einrühren. ~180–320 kcal je nach Fettzugabe.

Brennnesselsamen – Ernte → Kalorien (Schätzung)

Ergebnis: –


Vogelmiere – Stellaria media

Vogelmiere-Matte: zarte Triebe, kleine eiförmige Blätter; einseitige Haarlinie am Stängel
Zart, mild, fast ganzjährig – das unkomplizierte Rohkraut.

Vogelmiere bildet saftige Matten in Gärten, an Wegrändern und auf Brachen. Charakteristisch sind die kleinen eiförmigen Blätter und die feine Haarlinie entlang nur einer Stängelseite. Ihr Geschmack ist mild, fast „salatig“ – ideal, um bittere Mischpartner zu zähmen. In der Notküche liefert sie Volumen und Vitaminimpulse, Kalorien müssen separat kommen.

Praxis: Matten anheben und gründlich ausspülen; für warme Gerichte nur kurz zugeben, sonst fällt die Struktur in sich zusammen.
Schnell zum Teller
SchrittAktionErfolgHinweis
ErnteZarte Triebspitzen schneidenFrische, helle BlattmasseKein stark gedüngter Rasen
ReinigungMatte ausschütteln, unter Wasser wiegenSand freiInsekten ausspülen
NutzungRoh oder kurz dämpfenMilde, saftige BeikostMit Fett/Säure runden

Ration: Vogelmiere–Hasel–Mix

Ziel: Frisches Volumen + Nussenergie.

  • Vogelmiere 150 g ≈ 35–45 kcal
  • Geröstete Hasel 25 g ≈ 155–165 kcal
  • Spritzer Essig/Sirup, Salz

Vorgehen: Miere grob schneiden, würzen → Nüsse kurz anrösten und darübergeben. ~200–210 kcal.


Giersch – Aegopodium podagraria

Junger Giersch: dreizähliges Blatt (3×3 Fiederblättchen), scheidiger Blattstiel
Würzig, ergiebig – aber Doldenblütler: Doppelgänger kennen!

Giersch füllt mit jungen Blättern Pfannen und Fladen mit einer angenehmen Petersilien-Möhre-Note. Sicheres Erkennen ist Pflicht: dreizählig gefiederte Blätter (3×3), deutlich scheidiger Blattstiel, beim Zerreiben aromatischer Petersiliengeruch, Stängel nicht gefleckt. Ältere Blätter werden herber – dann als Würzanteil nutzen.

Verwechslung (kritisch): Gefleckter Schierling, Hundspetersilie u. a. Nur sammeln, wenn das komplette Merkmalsbild passt. Im Zweifel stehen lassen.
Jung ernten, kurz garen
SchrittAktionErfolgHinweise
ErnteNur sehr junge BlätterZart, aromatischÄltere nur als Würze
ReinigungSand/Erde gründlich ausspülenKlarSauberen Standort wählen
ZubereitungKurz dämpfen oder in wenig Öl ansetzenGrün bleibtMit Stärke/Fett kombinieren

Ration: Giersch–Bucheckern–Pfanne

Ziel: Würze + Fett/Protein.

  • Giersch 200 g ≈ 60–70 kcal
  • Geröstete Bucheckern 40 g (erhitzt) ≈ 220–240 kcal
  • Salz, Zwiebelwildling optional

Vorgehen: Giersch kurz garen → Bucheckern am Ende unterheben. ~280–310 kcal.


Spitzwegerich – Plantago lanceolata

7 kräftigen Längsnerven
Robuste Alltagsart – Blütenknospen geröstet als „Pilzgewürz“.

Die schmale Rosette mit 3–7 kräftigen Längsnerven macht Spitzwegerich unübersehbar. Junge Blätter liefern ein mildes Grün, die Blütenknospen entwickeln beim Trockenrösten ein überraschend pilziges Aroma. Als Volumen- und Würzkomponente vielseitig.

Praxis: Zähe Fasern entlang der Längsnerven herausziehen oder sehr fein schneiden; Knospen separat kurz trocken rösten.
Von Rosette bis Knospe
TeilVerwendungErfolgHinweise
Junge BlätterKurz dünsten/als EinlageMild, grünFasern entfernen/fein schneiden
BlütenknospenTrocken anröstenPilzartigNur mittlere Hitze
Getrocknete BlätterTeeSanftDunkel lagern

Ration: Wegerich–Knospen–Röster über Fladen

  • Geröstete Knospen 10 g ≈ 20–25 kcal
  • Blätter (kurz gedünstet) 120 g ≈ 35–40 kcal
  • Basis: 1 Eichel-/Kartoffelfladen 120–180 kcal

Vorgehen: Fladen trocken nachrösten → Blätter darauf → Knospen darüber. ~175–245 kcal.


Löwenzahn – Taraxacum officinale agg.

Löwenzahn-Rosette mit gezähnten Blättern, gelber Zungenblüte, hohlem milchendem Stiel
Allgegenwärtig, bitterstoffreich und vielseitig – Blatt, Blüte, Wurzel.

Löwenzahn ist das Arbeitstier der Wiese: junge Blätter für bittere Frische, Blüten für sirupartige Süße, Wurzeln (Herbst/Winter) als aromatischer, koffeinfreier „Kaffee“ nach kräftigem Trockenrösten. Bitterkeit der Blätter lässt sich durch Wässern/Blanchieren und den Verbund mit Fett und Säure kontrollieren.

Bitterstoffe im Griff
TeilTechnikErfolgHinweis
Junge Blätter2–3× kalt wässern oder kurz blanchierenWeniger BitterkeitMit Fett+Säure kombinieren
BlütenSirup/GeleeSüße, FarbeSauber lesen
WurzelnPutzen, längs vierteln, dunkel röstenKaffeeersatzGeruch: röstig, nicht verbrannt

Ration: Löwenzahn–Pfanne mit Nussstreu

  • Geblanchierte Blätter 180 g ≈ 60–70 kcal
  • Hasel/Walnuss 25 g ≈ 155–175 kcal
  • Essigspritzer, Salz

Vorgehen: Blätter kurz schwenken, würzen → Nüsse geröstet darüber. ~215–245 kcal.


Sauerampfer – Rumex acetosa

Sauerampfer-Detail: pfeilförmige Blattbasis mit zurückgebogenen Öhrchen, säuerlicher Geschmack
Frisch-säuerlicher Akzent – sparsam dosieren (Oxalate).

Pfeilförmige Blattbasis mit zurückgebogenen Öhrchen und der klare, zitronige Geschmack machen Sauerampfer unverwechselbar. Als Würze hebt er Eintöpfe und Saucen, als Massenbeilage taugt er weniger. Kurz garen, nicht zerkochen – und, wenn möglich, mit kalziumreichen Zutaten kombinieren.

Oxalate: Bei entsprechender Empfindlichkeit sparsam verwenden; Aluminiumtöpfe meiden.

Ration: Sauerampfer–Suppe „leicht“

  • Sauerampfer 60 g ≈ 15 kcal
  • Grundbrühe/Wasser 300 ml
  • Fladenbrot/Mehlzugabe nach Verfügbarkeit

Vorgehen: Ampfer kurz in heißer Brühe ziehen lassen; mit Stärkequelle servieren. Kalorien kommen aus der Beilage.


Schafgarbe – Achillea millefolium

Schafgarbe: sehr fein gefiederte Blätter, flache weiße Blütendolden
Kräftiges Würzkraut – wenige Blättchen genügen.

Sehr fein gefiederte Blätter und flache Scheindolden kennzeichnen die Schafgarbe. Ihr herbes, ätherisch-kräuteriges Profil funktioniert in kleinen Dosen als Würzwerkzeug – zu viel lässt Gerichte bitter wirken. Tee aus Blüten/Blättern mit heißem, nicht kochendem Wasser aufgießen.

Asteraceae-Allergie möglich; in Schwangerschaft zurückhaltend. In der Notküche besser als Würze denn als Masse einsetzen.

Gundermann – Glechoma hederacea

Gundermann: kriechende Triebe, rundliche gekerbte Blätter, violette Lippenblüten
Klein dosiert groß im Aroma – harzig, kräutrig, dominierend.

Der kriechende Lippblütler bringt mit wenigen Blättchen erstaunlich viel Würze in Teige, Kräuterbutter oder Eintopf. Er ist kein Volumenbringer, sondern ein Aromaschalter. Sehr fein hacken und erst am Ende der Garzeit zugeben.

Ätherische Ölfraktionen können in großen Mengen unverträglich sein – strikt als Würze verwenden.

Knoblauchsrauke – Alliaria petiolata

Knoblauchsrauke: herzförmige, gekerbte Blätter; weiße vierzählige Kreuzblütler-Blüten; knoblauchartiger Geruch beim Zerreiben
Frühlingsaroma aus dem Saum – roh oder kurz gegart.

Zerreibt man die herzförmigen Blätter, tritt der namensgebende Knoblauchduft zutage. Jung geerntet ist die Rauke mild-aromatisch, später wird sie schärfer und bitterer. Ideal in Pesto-Ansätzen mit Öl/Nuss/Samen oder fein gehackt in Fladenteig.

Praxis: Roh fein schneiden oder nur kurz garen. Grobe Stiele aussortieren.

Bärlauch – Allium ursinum (nur bei 100 % Sicherheit)

Bärlauch: lanzettliche Einzelblätter mit deutlichem Knoblauchgeruch, matte Unterseite, weißer Sternblütenstand
Warnung: Maiglöckchen und Herbstzeitlose sind gefährliche Doppelgänger.

Bärlauch liefert viel Aroma in kurzer Zeit – aber nur aus reinen Beständen. Jedes Blatt einzeln pflücken und zwischen den Fingern verreiben: deutlicher Knoblauchduft ist unverzichtbar. Keine Mischbestände akzeptieren.

Verwechslung (kritisch): Maiglöckchen (zwei Blätter je Trieb, kein Knoblauchduft) und Herbstzeitlose (hochgiftig). Bei jedwedem Zweifel stehen lassen.

Ration: Bärlauch–Pesto „feldtauglich“

  • Bärlauch 50 g ≈ 20–25 kcal
  • Hasel/Walnuss 30 g ≈ 190–210 kcal
  • Etwas Öl/Fett (optional)

Vorgehen: Fein hacken, mit Nuss/Fett zu streichfähiger Paste verreiben; dünn auf Fladen.


Übersichten: Saison, Aufbereitung, Praxis

Saisonfenster (DE, tendenziell) – regionale Abweichungen sind normal
PflanzeJFMAMJJASOND
Brennnessel (Blätter)
Brennnessel (Samen)
Vogelmiere
Giersch
Spitzwegerich
Löwenzahn (Blätter)
Sauerampfer
Schafgarbe
Gundermann
Bärlauch
Einfach umsetzbare Verfahren im Feld
ProblemBeispieleTechnikPraxis
BitterstoffeLöwenzahn altWässern/Blanchieren2–3× kalt wässern oder 1–2 min blanchieren; mit Fett/Säure kombinieren
BrennhaareBrennnesselReiben/HitzeKräftig rollen/zerdrücken oder kurz blanchieren
OxalateSauerampferKurz garen, mischenMit kalziumreicher Komponente kombinieren; Alu vermeiden
Herbe AromenGundermann, Schafgarbe„Würz-Einsatz“Sparsam nutzen, nicht als Hauptgemüse

Survival-Praxis: Hygiene, Volumen, Energie

Hygiene: Möglichst fern von Straßen, Hundezonen und Einleitungen sammeln; gründlich spülen.
Volumen: Wiesenkräuter liefern Masse und Mikronährstoffe – sättigen allein aber kaum.
Energie: Kalorien kommen primär über Samen/Nüsse und Stärke (Kartoffel, Eichel-/Wurzelmehle). In der Praxis: Grün + Fettquelle + Stärke kombinieren.

Volumen-Schätzer: „Wie viel Kraut brauche ich für 150 kcal?“

Ergebnis: –

Erinnerung: Blattgemüse ist wasserreich – energetisch ergänzen mit Samen/Nüssen/Wurzeln.


Konservierung & Haltbarkeit

Trocknen: Dünn ausgebreitet, schattig/luftig (oder 35–40 °C Luft). Dunkel und dicht lagern. Aroma-Kräuter (Gundermann, Schafgarbe) behalten Würzkraft, Blattgemüse verliert Volumen.
Rösten: Samen (z. B. Brennnessel) kurz trocken rösten – Geschmack ↑, Restfeuchte ↓, Haltbarkeit ↑.
Sauer/Salz: Im Feld nur kurzfristig sinnvoll – ohne sterile Gefäße heikel. Hygiene entscheidet.

Alle Angaben konservativ gedacht. Lokale Abweichungen durch Klima/Jahr/Standort sind normal; im Zweifel zugunsten der Sicherheit entscheiden.


Passender Kurs

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Survival-Tipp

Nr. 211: Erste Hilfe bei Panikattacken

Weißt du schon? Panik kann dich im Outdoor-Notfall genauso lahmlegen wie Verletzungen. Richtiges Handeln bringt Kontrolle zurück.

Praxis: Symptome: Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Angst. Sofort Atemtechnik anwenden: 4 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen. Konkrete Aufgaben geben („halte diese Schnur“, „zähl die Atemzüge“) lenkt Fokus um. Körperhaltung stabilisieren, Blickkontakt halten, ruhige Stimme. Wasser reichen, wenn möglich. Wichtig: Angst ernst nehmen, nicht abtun. Nach Abklingen langsame Re-Integration in Aktivität. Panik ist kein Charakterfehler, sondern physiologische Reaktion.

Typische Fehler: Betroffene alleine lassen, hektisch reagieren oder Vorwürfe machen. Folge: Panik verstärkt sich.

Praxis-Tipp: Lerne einfache Atemübungen – sie helfen nicht nur anderen, sondern auch dir selbst in Stresslagen.