Das Akronym STOP ist ein bewährtes gedankliches Werkzeug zur Selbstkontrolle in akuten Überlebenssituationen. Es dient dazu, Panikreaktionen zu unterbrechen, eine geordnete Analyse vorzunehmen und sinnvolle Handlungen einzuleiten. Der Begriff findet sowohl in militärischer Ausbildung als auch im zivilen Survival-Training Anwendung und stellt eine Art mentale Notbremse dar, wenn die Situation plötzlich außer Kontrolle zu geraten droht.
I. Bedeutung und Struktur von STOP im Survival-Kontext
Das STOP-Schema gliedert sich in vier essenzielle Handlungsschritte. Jeder Buchstabe steht für eine bewährte Maßnahme, die im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden kann:
- S – Stop (Anhalten) Sobald eine Gefahr erkannt wird oder eine ungeplante Situation eintritt – z. B. Orientierungslosigkeit im Gelände, Verletzung, Verlust der Ausrüstung – ist das sofortige Anhalten der erste und wichtigste Schritt. Das bewusste Innehalten verhindert vorschnelles Handeln, das oft auf Adrenalin und Panik basiert. Wer in Bewegung bleibt, obwohl er nicht weiß wohin, riskiert Fehleinschätzungen, Energieverlust oder sogar den Absturz in gefährlichem Terrain.
- T – Think (Nachdenken) In der Phase des Nachdenkens wird die Situation rational erfasst. Was ist genau passiert? Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung? Gibt es potenzielle Gefahren in meiner direkten Umgebung? Auch die psychologische Selbsteinschätzung gehört dazu: Habe ich Angst, bin ich verletzt, wie lange kann ich in dieser Lage durchhalten? Dieser Schritt erfordert bewusste Selbstreflexion statt Aktionismus.
- O – Observe (Beobachten) Nun richtet sich der Blick auf die Umgebung. Gibt es Landmarken zur Orientierung? Wo steht die Sonne? Welche Geräusche sind hörbar – Wasserläufe, Straßenverkehr, Stimmen? Gibt es tierische Hinweise auf Ressourcen oder Gefahren (z. B. Bärenspuren, Insektenschwärme)? Auch das Wetter sollte genau analysiert werden, ebenso wie die Beschaffenheit des Geländes: Bin ich in einer Senke, auf einem Grat, in einem potenziellen Lawinenkorridor oder an einem windgeschützten Platz? Die Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen.
- P – Plan (Planen) Nun erfolgt die gezielte Auswahl der nächsten Handlungsschritte. Im Zentrum steht dabei nicht Aktion um der Aktion willen, sondern eine Strategie. Mögliche Pläne umfassen: Aufbau eines Notlagers, Priorisierung der Wassergewinnung, Errichtung von Signalen für Rettungskräfte, Abschätzen der Marschroute bei Tageslicht oder Erhalt der Körpertemperatur über Nacht. Wichtig ist, dass der Plan realistisch, priorisiert und mit Blick auf vorhandene Ressourcen durchführbar ist.
II. Konkrete Anwendung in praktischen Survival-Szenarien
Ein Wanderer verliert im Hochwald nach einem Wetterumschwung die Orientierung. Plötzliche Nebelbildung nimmt ihm die Sicht, und sein Smartphone hat keinen Empfang. In dieser Situation sofort weiterzugehen, wäre fatal. Nach dem STOP-Prinzip hält er an, setzt sich, atmet bewusst tief durch, trinkt etwas und beginnt den Denkprozess: Er war zuletzt auf einem Höhenweg unterwegs, die Sonne stand rechts. Durch Beobachtung erkennt er an einem moosbewachsenen Baum die Himmelsrichtung. Schließlich beschließt er, eine Nacht an Ort und Stelle zu verbringen und mit improvisiertem Schutz auf bessere Sicht am nächsten Morgen zu hoffen. Durch Anwendung von STOP verhindert er eine Verschlimmerung der Lage.
Ein anderes Beispiel: Eine kleine Gruppe wird beim Trekking von einem schweren Sturz eines Teammitglieds überrascht. Anstatt sofort hektisch einen Transport zu improvisieren, ruft der Gruppenführer "STOP". Die Gruppe sammelt sich, sichert den Ort, analysiert die Verletzung und entscheidet sich, ein Biwak zu errichten, bis Hilfe per Notruf verständigt werden kann. Auch hier wird dank STOP der Überblick bewahrt.
III. STOP als mentale Disziplin in Ausbildung und Krisenvorbereitung
In militärischen Trainingsprogrammen – etwa bei Fernspähern, Fallschirmjägern oder Spezialeinheiten – ist STOP eine der ersten mentalen Techniken, die eingeübt werden. Der Grund: In chaotischen oder gefährlichen Situationen ist es nicht der Mutige, sondern der Kontrollierte, der überlebt. Das STOP-Schema wird dort regelmäßig in simulierten Notlagen geübt und mit Stressoren wie Schlafmangel, Dunkelheit oder Lärm kombiniert.
Auch in zivilen Outdoor-Trainings, Bushcraftkursen oder Prepper-Seminaren ist STOP ein fester Bestandteil der Grundausbildung. Besonders in Einzeltrainings wird die Technik genutzt, um Anfänger für die Gefahren psychologischer Überforderung zu sensibilisieren. Denn nicht die Kälte, nicht der Hunger oder das Terrain sind die Haupttodesursachen – sondern Panik, Aktionismus und fehlerhafte Einschätzungen.
IV. STOP als Baustein innerhalb anderer Überlebensmodelle
Das STOP-Prinzip steht meist am Anfang jeder Reaktion. Es lässt sich mit anderen Techniken sinnvoll kombinieren, etwa:
- Rule of Threes: STOP hilft, die eigene Lage in Bezug auf Atemluft, Wärme, Wasser und Nahrung realistisch einzuschätzen.
- 5C der Bushcraft-Ausrüstung: Im "Think"- und "Plan"-Abschnitt können vorhandene Ausrüstungsgegenstände – wie Cutting Tools oder Cover – gezielt eingeplant werden.
- PACE-Modell: Die Planung im STOP-Schema kann auch redundant gedacht werden – mit Primär-, Alternativ-, Not- und Notfalllösung.