Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist eine der wichtigsten Grundlagen des Überlebens – nicht nur in der Wildnis oder auf Expeditionen, sondern auch in Katastrophenszenarien, in denen die übliche Infrastruktur zusammenbricht. Die solare Wasserdesinfektion (SODIS) bietet hier eine einfache, zuverlässige und nahezu überall einsetzbare Möglichkeit, Wasser sicher trinkbar zu machen. Entwickelt wurde sie in den 1980er-Jahren an der ETH Zürich, und sie wird heute von internationalen Organisationen wie WHO und UNICEF aktiv empfohlen.
Das Prinzip ist verblüffend simpel: Sonnenlicht liefert sowohl UV-A-Strahlung als auch Wärme – beides in Kombination kann Mikroorganismen im Wasser zuverlässig inaktivieren. Damit das Verfahren funktioniert, braucht es jedoch klare Rahmenbedingungen und die richtige Vorgehensweise.
Wirkungsweise im Detail
Die SODIS-Methode nutzt gleich zwei physikalische Prozesse:
- UV-A-Strahlung (320–400 nm) schädigt das Erbgut von Bakterien, Viren und Protozoen, sodass diese sich nicht mehr vermehren können.
- Erwärmung auf Temperaturen über 50 °C beschleunigt den Abtötungsvorgang, da viele Mikroorganismen wärmeempfindlich sind.
Zusätzlich wird durch das kräftige Schütteln der Flasche vor der Belichtung Sauerstoff ins Wasser eingetragen. Dieser reagiert unter UV-Licht zu reaktiven Sauerstoffverbindungen, die den Desinfektionsprozess noch verstärken.
Besonders wichtig ist die Wasserqualität: Ist das Wasser stark trüb oder enthält viele Schwebstoffe, werden die UV-Strahlen blockiert. Hier hilft eine Vorfiltration mit Stofftüchern, Sandfiltern oder Sedimentation.
Durchführung Schritt für Schritt
- Vorbereitung des Wassers
- Sauberes, möglichst klares Wasser in durchsichtige PET-Flaschen (maximal 3 Liter) füllen. Glasflaschen sind ebenfalls geeignet, sofern sie keine UV-Schutzschicht besitzen.
- Die Flasche zu etwa drei Vierteln füllen, 20 Sekunden kräftig schütteln, dann vollständig auffüllen und fest verschließen.
- Exposition in der Sonne
- Die Flaschen waagerecht auf eine reflektierende Oberfläche legen – zum Beispiel Wellblech, Alufolie oder einen hellen Stein.
Die Belichtungsdauer richtet sich nach der Wetterlage:
Wetterlage Dauer Hinweise Sonnig (< 50 % Bewölkung) ca. 6 Stunden Direkte Sonne, keine Verschattung Stark bewölkt 1–2 volle Tage Kontinuierliche Belichtung Dauerregen ungeeignet Besser Regenwasser auffangen
- Trinkfertig machen
- Nach Ablauf der Zeit kann das Wasser direkt aus der Flasche getrunken werden.
- Alternativ in einen sauberen, verschlossenen Behälter umfüllen, um eine Nachkontamination zu vermeiden.
Einflussfaktoren für den Erfolg
Die Effektivität von SODIS hängt stark von den äußeren Bedingungen ab:
- Sonnenstand und Jahreszeit – Je höher die Sonne steht, desto kürzer die benötigte Zeit.
- Trübung – Wasser mit mehr als 30 NTU (Trübungswert) muss vorgeklärt werden.
- Flaschenzustand – Kratzer, milchige Verfärbungen oder Biofilm verringern die UV-Durchlässigkeit.
- Temperatur – Erhöhte Temperaturen über 50 °C verstärken die Wirkung spürbar.
Vorteile der Methode
SODIS hat mehrere Vorteile, die sie besonders für Krisen- und Outdoor-Situationen interessant machen:
- Kostengünstig – keine Brennstoffe oder Chemikalien nötig.
- Einfach umsetzbar – auch ohne technische Hilfsmittel anwendbar.
- Wissenschaftlich belegt – in Studien Reduktion von Durchfallerkrankungen um 30–80 %.
- Umweltfreundlich – keine zusätzlichen Abfälle oder Energieverbräuche.
Grenzen und Risiken
Trotz ihrer Einfachheit ist SODIS nicht universell einsetzbar:
- Wetterabhängigkeit macht die Methode in regenreichen Perioden unzuverlässig.
- Sie entfernt keine chemischen Schadstoffe (z. B. Schwermetalle, Pestizide).
- Die Menge ist begrenzt – mehrere Flaschen nötig, um Tagesbedarf einer Familie zu decken.
- Unsachgemäße Lagerung nach der Behandlung kann zu erneuter Verkeimung führen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse & Fallbeispiele
SODIS ist nicht nur im Labor untersucht, sondern in vielen Ländern praktisch erprobt:
Land/Region | Situation | Ergebnis |
---|---|---|
Nepal | Nach Erdbeben 2015, zerstörte Wasserversorgung | Signifikanter Rückgang von Magen-Darm-Erkrankungen in Bergdörfern |
Ghana | Schulprojekte zur Trinkwasserhygiene | Kinder vermittelten Wissen an Familien, deutliche Verbesserung der Gesundheit |
Kenia | Nutzung in Trockenzeiten bei Nomadengruppen | Sichere Trinkwassergewinnung aus Flussläufen |
Bolivien | Kombination mit Schulungen und UV-Indikatoren | Höhere Akzeptanz und langfristige Anwendung |
Diese Beispiele zeigen, dass die Methode nicht nur theoretisch funktioniert, sondern in Krisenregionen und im Alltag wirkungsvoll eingesetzt werden kann.
Praxistipps für bessere Ergebnisse
- Wasser vorfiltern, wenn es trüb ist – schon einfache Stofffilter erhöhen die UV-Wirksamkeit deutlich.
- Flaschen auf heißen, reflektierenden Unterlagen platzieren, um sowohl Temperatur als auch UV-Eintrag zu steigern.
- Dünnwandige PET-Flaschen bevorzugen, da sie mehr UV-Licht durchlassen.
- Bei Unsicherheit über die Belichtungsdauer können UV-Indikatoren oder Geräte wie der WADI helfen, die nötige Dosis zu bestimmen.
- Flaschen regelmäßig austauschen, um Leistungsverlust durch Materialalterung zu vermeiden.