Wie orientiert ihr euch bei Nebel, Schneesturm oder Dunkelheit ohne GPS oder Kompass?

Zusammenfassung

Darüber diskutieren die Nutzer: Die Diskussion dreht sich um die Herausforderungen der Navigation in schwierigen Wetterbedingungen, insbesondere bei plötzlichem Nebel. Ein Nutzer schildert seine Erfahrung auf der Rigi, wo er ohne technische Hilfsmittel in eine Orientierungsnotlage geriet. Daraufhin geben andere Tipps zur Orientierung, wie das Anhalten zur Lageeinschätzung, das Setzen von Ankern wie Wind und Hang sowie das Nutzen von Geländeformen. Ein weiterer Beitrag hebt hervor, dass das Gehirn in solchen Situationen oft täuscht und es wichtig ist, einfache Techniken zu nutzen, um nicht im Kreis zu laufen. Die Nutzer teilen praktische Ratschläge und persönliche Erfahrungen, um sich in der Natur besser zurechtzufinden.
  • Moin Leute,

    ich war im Frühling auf der Rigi unterwegs. Strahlender Sonnenschein, klare Sicht, alles easy, also weder GPS noch Kompass eingepackt. Dann zog vom Vierwaldstättersee plötzlich dichter Nebel hoch. Innerhalb von 20 Minuten war die Sicht weg, vielleicht noch 15 Meter. Jeder Felsen sah gleich aus, Markierungen waren kaum zu erkennen.

    Da habe ich mich gefragt: Wie orientiert ihr euch bei Nebel, Schneesturm oder Dunkelheit ohne Stenensicht, wenn ihr ohne Technik unterwegs seid? Bei Nebel ist es schon schwierig genug, aber im Schneesturm, wenn Wind und Schnee alles zudecken, oder in völliger Dunkelheit ohne Sterne am Himmel, wenn selbst der beste Weg unsichtbar wird, muss es doch noch viel härter sein, die Richtung zu halten.

    Ich habe mich damals am Geländeprofil und an ein paar Punkten vom Hinweg orientiert. Zum Glück ging es gut, aber die Unsicherheit war ständig da. Im Schneesturm oder nachts ohne Lichtquelle wäre ich wahrscheinlich schnell vom Weg abgekommen.

    Darum interessiert mich:

    • Welche Tricks oder Techniken nutzt ihr bei Nebel, Schneesturm oder Dunkelheit ohne Sternenhimmel?
    • Merkt ihr euch vorher gezielt Orientierungspunkte?
    • Habt ihr Methoden, um nicht im Kreis zu laufen, wenn man kaum noch etwas sieht?

    Bin gespannt auf eure Tipps und Geschichten, gerade solche Situationen zeigen ja, wie schnell aus einer entspannten Tour eine echte Herausforderung werden kann.

    Grüße
    HansOutdoor

  • Moin Hans,

    genau solche Situationen trennen „schönes Spazierengehen“ von echter Navigation. Ohne Technik geht’s trotzdem – aber es wird methodisch. So würde ich’s draußenmachen, wenn sich die Sicht schlagartig verabschiedet:

    Erstmal anhalten und die Lage sortieren. Ich setze mich kurz hin, atme runter und nehme mir eine Minute (eigentlich wäre es die STOP Regel) für drei Dinge: Woher kam ich gerade (Geländegefühl im Rücken behalten), woher kommt der Wind, wie fällt der Hang? Das sind meine drei „Anker“. Wind und Hang geben dir eine grobe Nord-Süd-Ost-West-Information und bleiben oft lange stabil, auch wenn der Nebel dichter wird. Beispiel: „Wind von links, Hang fällt leicht nach rechts ab.“ Das merke ich mir als kurzen Satz und wiederhole ihn im Kopf, damit er nicht „wegnebelt“.

    Dann baue ich mir eine künstliche Sichtlinie. Alleine ginge die „Stock-Peilung“: Einen geraden Stock richtet man in die vermutete Marschrichtung aus, legt ihn vor sich auf den Boden, geht bis zu ihm, setz den zweiten Stock wieder ein paar Meter weiter exakt in derselben Linie, geht nach, nimmt den ersten wieder vor – wie eine kleine Laufschiene, die man sich ständig selbst legt. Das verhindert das klassische seitliche Wegdriften. Zu zweit geht’s noch sauberer: Die vorne laufende Person steht 15–20 m voraus, ich richte sie ein („zwei Schritte nach links… stopp“), dann geht sie zum nächsten Punkt, ich komme nach. Ohne Fernsicht bekommst du so trotzdem eine ziemlich gerade Linie hin.

    Gleichzeitig „handraile“ ich das Gelände. Handrail meint: ich nutze lineare Strukturen, die es überall gibt – Gratkante, Waldkante, Weidezäune, ein Entwässerungsgraben, ein Bahntrassee, ein Bachlauf, selbst die Übergänge im Bewuchs. Wenn ich entschieden habe „ich bleibe auf dem Bergrücken“, halte ich die Abfälle symmetrisch: fällt es links genauso wie rechts, bin ich wirklich oben; kippt es plötzlich nur noch nach links, habe ich die Achse verloren und korrigiere zurück. In Hängen laufe ich oft bewusst in einer bestimmten Höhenlinie, also quer zum Fall, damit ich nicht unbemerkt in steileres, gefährlicheres Gelände abdrifte. Auch ohne Höhenmesser spürst du das: Querhang fühlt sich anders an als Falllinie.

    Gegen das „im Kreis laufen“ setze ich mehrere kleine Tricks. Erstens fixiere ich den Wind: „Wind bleibt auf der linken Wange.“ Wenn er wandert, habe ich meine Linie gedreht. Zweitens arbeite ich mit Rhythmus: Ich zähle leise Doppel-Schritte in Blöcken (zum Beispiel bis 60), dann kurzer Halt, Lage checken, nächster Block. Das ist keine exakte Meterzählung, aber es verhindert, dass du unbewusst nach der stärkeren Seite ziehst. Drittens setze ich winzige, reversible Markierungen für die Rückspur: ein kleiner Steinpfeil in Gehrichtung, ein Stock senkrecht in den Boden, ein Fußabdruck mit einem Strich daneben. Das ist kein Unsinn mit Steinmännchen – es geht nur darum, im Zweifel eine Linie zurückzugewinnen..

    Wenn gar nichts mehr geht, orientiere ich mich am „Geländeprofil-Gedächtnis“. Beim Hinweg sammle ich unbewusst sogenannte Tick-Off-Merkmale: zwei kurze Gegenanstiege, eine sumpfige Senke, ein querlaufender Viehtritt, ein einzelner großer Fels mit Kerbe. Im Nebel zähle ich sie rückwärts: „Okay, Senke, dann müsste gleich ein kurzer Gegenhügel kommen.“ Kommt er nicht, weiß ich, dass ich quer weg gedriftet bin. Das ist unscheinbar, aber extrem zuverlässig, wenn man’s übt. Deshalb baue ich mir vor heiklen Passagen schon bei Sicht ein kurzes mentales Drehbuch: „300 m Rücken, kleine Senke, danach Zaun, dann Wegkreuzung.“ Drei Punkte reichen oft.

    Im Schneesturm/Whiteout verschärft sich das. Da entscheide ich sauberer: brauche ich wirklich Bewegung – oder ist „abwarten und kleiner werden“ klüger? Weißer Boden, weiße Luft, windverblasene Konturen: Hier ist seitliches Abgleiten gefährlich. Wenn ich weiter muss, gehe ich mit sehr kleinen Etappen, probe den Untergrund mit dem Stock, halte mich, wenn möglich, an einer sicheren Leitlinie (Pistenstangen, Waldkante, Bachmulde). Der Windanker wird dann zum Hauptkompass: konstant auf einer Gesichtsseite behalten. In offenem, lawinengefährdetem Gelände ist Nicht-Bewegen oft die bessere Navigation. Biwaksack, Jacke drüber – und warten, bis der Kontrast zurückkommt.

    Bei Nacht ohne Sterne gilt fast dasselbe, nur dass du mit der Akustik arbeiten kannst. Geräusche tragen weit: Straßen unten im Tal, eine Bahn, Kuhglocken, Wasserrauschen. Das gibt dir Richtung. Lichtkuppeln über Ortschaften sind oft durch den Nebel zu sehen, lange bevor du Häuser siehst. Wenn ich mich in Richtung eines sicheren Handrails orientieren will – etwa „runter zur Bahntrasse“ – suche ich den stärksten Abfall und folge ihm nicht stumpf in der Falllinie, sondern quer-abwärts, bis ich eine Linearpiste „fange“, an der ich gefahrlos heimlaufen kann. Aiming-off ohne Kompass, wenn du so willst: ich peile nicht exakt auf einen Punkt, sondern bewusst auf die Seite, von der ich garantiert auf die Linie treffe, die mich heimbringt.

    Ein Wort zum Tempo: Menschen werden im Nebel automatisch schneller, weil der Blick nichts zum „Festhalten“ findet. Ich mache bewusst kleiner Schritte, setze die Füße sauber, halte kurze, häufige Stops zum Re-orientieren und schaue konsequent auf den nächsten Meter. Lieber 30 Minuten sehr kontrolliert als 10 Minuten flott in die falsche Rinne.

    Und ja, ich merke mir gezielt Orientierungspunkte – aber nicht „schöne Bäume“, sondern Form-Dinge: Kanten, Senken, Rücken, Übergänge im Untergrund. Formen sind robust gegen Wetter; Farben und Details verschwinden. Drei bis fünf solcher „Form-Marker“ pro Abschnitt genügen. Dazu zwei Backstops: etwas, das ich definitiv nicht überschreiten will (z. B. eine steile Absturzkante oder eine breite Straße). Wenn ich bei Schrittzahl X noch keinen Marker hatte, drossele ich, korrigiere, notfalls kehre ich zum letzten sicheren Punkt zurück. Das klingt streng, fühlt sich draußen aber sehr ruhig an.

    Zum Schluss noch zwei kleine Empfehlungen, auch wenn du gerade explizit „ohne Technik“ fragst. Erstens: Eine kleine, analoge Hilfe wie ein Daumennagelgroßen-Kompass oder eine Mini-Lampe wiegt nichts und rettet eventuell Leben. Zweitens: Einfache „Low-Tech-Rituale“ schon beim Losgehen zahlen sich aus – Blick rückwärts (so sieht der Rückweg aus), Windrichtung merken, Hanglage benennen, die ersten zwei Handrails identifizieren. Wenn dann doch der Vorhang zugeht, bist du nicht mehr der Passagier, sondern bleibst Pilot deiner Route.

    Grüße

  • Moin,

    danke dir, genau so eine Antwort hat mir gefehlt. Ich nehme vor allem drei Dinge mit: erst mal kurz stoppen und „Wind + Hang“ als Anker setzen; mir mit Stock eine gerade Linie bauen; und am Gelände „handrailen“ statt ins Leere zu stochern. Gegen das im Kreis laufen: Wind bewusst auf einer Seite behalten und in kleinen Schrittblöcken gehen. Im Whiteout lieber klein werden und warten, statt stur weiterzulaufen. Mini-Kompass und Minilampe wandern ab jetzt in den Rucksack.

    Beim nächsten Nebel auf der Rigi probiere ich das aus und melde mich mit einem kleinen Bericht 😂😂😂🙈

    Grüße

    HansOutdoor

  • Gerade bei kompletter Dunkelheit oder dichtem Nebel fängt das Gehirn ja gerne an, Streiche zu spielen – man glaubt, geradeaus zu laufen, und macht dann doch Bogen wie ein betrunkener Maikäfer. Ohne Technik wird’s dann echt spannend. Ich hatte mal so einen Moment in den Brandenburger Kiefern, allerdings ohne Schnee, nur mit dicker Suppe nachts.

    Was für mich funktioniert hat, war ganz altmodisch: Schritte zählen, wirklich diszipliniert. Vorher schätze ich auf Karte (oder vom Hinweg) eine bestimmte Distanz ab, zum Beispiel 1500 Schritte bis zur Wegbiegung oder zum Fluss. Klar, komplett exakt ist sowas nie, aber man bekommt ein Gefühl, wie weit man weg ist. Kombiniere das dann mit “Handrailing” – also an Geländekanten, Waldsäumen oder Bachläufen entlanghangeln, selbst eine breite Schneise kann helfen. Je nach Gelände packe ich mir einen markanten Ast oder Stein ins Startgebiet, damit ich wenigstens einen sicheren Rückzugsort habe.

    Ein Trick noch aus alten Zeiten: Wenn’s super dunstig ist und du Angst hast, im Kreis zu laufen, dann versuch regelmäßig ein Band, Mullstreifen oder von mir aus sogar Taschentücher an Büsche oder Stöcke zu binden. Sieht albern aus, aber im Notfall waschen und mitnehmen... Das gibt Orientierung, wenn du umdrehen willst und merkst, dass du nach 15 Minuten wieder an deinem alten Punkt bist.

    Mini-Anekdote noch: Ein Kumpel von mir schwört auf “Blindenschritt-Technik”. Er hält einen Ellenbogen leicht vor den Körper, Stock waagerecht, und tastet immer mit dem Stock den Boden. Klingt schräg, aber so merkt er früh, wenn er von einem Weg in Dickicht abdriftet. Wer’s mag, nimmt auch im Nebel gleich am Anfang den Kompass raus (falls doch dabei), markiert sich in die Richtung und sticht dann mit gelegentlichen Korrekturen immer am gleichen Bachlauf entlang weiter.

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